Seit ein paar Tagen fahren wir auf der Via Karelia, oder wie sie genannt wird, „Die Route Runon ja Rajan tie (etwa: „Straße der Lieder und der Grenze“). Sie führt durch Ostfinnland der russischen Grenze folgend vom Finnischen Meerbusen nach Lappland. Sie beginnt im südwestfinnischen Vaalimaa und quert Südkarelien, Nordkarelien, Kainuu und Kuusamo ehe sie im lappischen Salla endet. Wir sind sie allerdings in der Gegenrichtung gefahren.
In Lappland leben die Samen, welche sich der Rentierzucht verschrieben haben. Die hier domestizierten Rentiere tragen ein Halsband mit einem Sender. Sobald ein Tier über einige Stunden kein Signal mehr sendet, muss der Eigentümer davon ausgehen, dass es tot ist und sucht es via Peilsender. Vom Staat erhält er Geld, wenn eines seiner Tiere verendet. Der Betrag ist recht hoch. Diese Information haben wir von einem Guide erhalten. Die Richtigkeit konnten wir nicht überprüfen. Aber – es ist eindeutig, dass die Tiere ziemlich doof sind, wie unsere Schafe. Sie rennen quer über die Strassen, bleiben einfach stehen, oder wenn man denkt, dass sie nun auf der anderen Seite sind, kommen sie zurück. Dass der Züchter Geld für ein totes Tier bekommt, scheint uns plausibel – sonst würden diese wohl eher in Gehegen gehalten werden. Um eine Vermischung mit den Waldrentieren zu verhindern, wurde durch ganz Lappland ein Zaun gebaut. Am Anfang noch total begeistert, so ein Tier zu sehen, waren irgendwann eher genervt, da es keinen Spass macht, bei 80 km/h so ein Vieh vor dem Kühler zu haben.
In Finnland warten einige Gefahren auf uns: Rentiere, Elche, Schneemobil-Fahrer oder Langläufer. Also sicher ist man hier nicht ;-).
Wir haben auf dem Weg immer Richtung Norden die Gedenkstädte des Winterkrieges um Suomussalmi besucht. Die Schlacht fand vom 7. Dezember 1939 bis zum 8. Januar 1940 bei Suomussalmi statt. Die Rote Armee schickte 36‘000 Soldaten ins Feld. Die finnischen Kräfte mit einer Maximalstärke von rund 11‘500 Soldaten zerschlugen sowjetischen Formationen und verhinderten so den Versuch, Finnlands Verkehrsverbindungen nach Schweden abzuschneiden. Die Gedenkstädte besteht aus einem Steinfeld und einem Zentraldenkmal. Die Zahl der auf eine Fläche von nahezu drei Hektar verteilten Steinblöcke (rund 1‘000) entspricht der Zahl der in den Winterkriegskämpfen von Suomussalmi Gefallenen. Das Steinfeld mahnt an die vom Krieg verursachten menschlichen Leiden und soll den Betrachter zum Nachdenken über den Wahnsinn des Krieges anhalten.
Denkmal zum Zeichen der Häuser, welche die Finnen im Krieg abgebrannt haben, damit sie nicht in die Hände der roten Armee fallen.
Danach sind wir weiter auf der Via Karelia gefahren. Urplötzlich taucht das nahezu tausendköpfige stille Volk am Strassenrand auf. Der Künstler Reijo Kela setzte die torfköpfigen Figuren bei der 1988 in Suomussalmi aud der Wiese des Lassila-Hauses aufgeführten Produktion ‘Ilmarin kynnös’ das erste Mal ein. Jeder kann selbst interpretieren, was das fast tausendköpfige Stille Volk bedeutet. Vom Künstler gibt es keine fertige Antwort.
Kaum weg von der Via Karelia, werden auch die Häuser wieder rot, die Wälder wechseln von Nadel- zu Laubbaumwälder und generell ist die Landschaft anders, weniger einsam.
In der einsamen Gegend gibt es in den Dorfläden alles zu kaufen – von Benzin über Lebensmittel bis zum Fernseher
Und im Verlaufe des Tages haben wir den Entscheid getroffen, doch ans Nordkap zu fahren. Nachdem wir nun schon den Polarkreis überfahren haben, ist es nicht mehr soooo weit, bis ans Nordkap.