Am Vormittag sind wir nach Salaspils gefahren – ein Konzentrationslager oder wie es genannt wurde «Erweitertes Polizeigefängnis und Arbeitserziehungslager». In Tat und Wahrheit war es ein absoluter Ort des Grauens, der von 1941 – 1944 genutzt wurde. Über 23’000 Personen waren inhaftiert. Ende 1942 befanden sich dort hauptsächlich politische Gefangene, die zuvor ohne Gerichtsurteil durch Schutzhaftbefehl in das Rigaer Zentralgefängnis eingewiesen worden waren. Ausserdem internierte Ausländer sowie lettische Rückkehrer aus altrussischem Gebiet, die politisch überprüft werden sollten. Ferner sassen „Arbeitsverweigerer“ und straffällig gewordene Angehörige der Schutzmannschaften dort ein. Die Kinder waren v.a. «Strassenkinder» aus dem lettisch-russischen Grenzgebiet.

Den Inhaftierten wurde zu «Versuchswecken» Blut entnommen, aber auch, um die Blutkonserven aufzustocken. Daneben mussten alle, welche gesundheitlich in der Lage waren, unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten.

Der Eingang bildet ein massiger Betonquader mit der dunklen Inschrift: Aiz nem vartem vaid zeme = Hinter diesem Tor stöhnt die Erde.

Das Gelände ist ein riesiger Platz aus Betonplatten und vertrocknetem Rasen mit einem überdimensionierten Sarg, in welchem ein Metronom liegt. Das dumpfe Pochen wie ein Herzschlag ist über das ganze Gelände zu hören. Sechs monumentale Steinfiguren auf dem Gelände verteilt, symbolisieren das Leid der Opfer. Hinter der Skulptur der Mutter, die drei Kinder Schutz gibt, befand sich das Kinderlager von Salaspils. Der Quader, der diesen grausamen Ort darstellt inkl. dem Grab mit über 600 Kinderleichen ist geschmückt mit Kinderspielzeug, das von Einheimischen, welche diesen Ort aufsuchen, auch heute noch niedergelegt wird.

Danach sind wir weiter nach Sigulda zur Ordensburg Turaida gefahren. Die Burg liegt heute in einem wunderbaren Park mit vielen beeindruckenden Skulpturen. Ein idealer Ort, um den Besuch im KZ Salaspils zu verarbeiten.

Das Herz der Gartenanlage ist der Folk Song Hill, auf dem sich schon in den 80er Jahren – während der Sowjetzeit – Sängergruppen trafen und altes Liedergut sangen. Der Folk Song Hill war einer der Plätze, an denen die «Singende Revolution» ihren Anfang nahm.

Die Burg von Turaida wurde 1214 im Auftrag der Bischöe von Riga auf den Resten eine ralten livländischen Holzfestung erbaut. Die Burg war bis ins 18. Jahrhundert bewohnt.

Ebenfalls im Park ist die älteste Holzkirche von Lettland zu sehen. Es ist eine sehr schlichte lutherische Kirche.

Zum Schluss besuchten wir das Grab der Rose von Turaida. Die Legende beschreibt folgendes: «Nach einer Schlacht bei der Burg Turaida im Mai 1601 fand der Burgschreiber Greif auf der Suche nach Überlebenden ein Neugeborenes in den Armen seiner toten Mutter. Er zog das Mädchen wie eine eigene Tochter auf und gab ihm den Namen lettisch Maija; herangewachsen erhielt sie wegen ihrer grossen Schönheit den Beinamen Rosa bzw. Rose (lettisch Roze). Mit dem aus Deutschland eingewanderten Landschaftsgärtner Viktor Heil verband sie eine tiefe Liebe, im Herbst 1620 wollten die beiden heiraten. Kurz zuvor lockte ein Bote – vermeintlich in Viktors Auftrag – Mai Greif zur Gutmannshöhle (Gūtmaņa ala), ihrem gewöhnlichen Treffpunkt. Sie begab sich in Begleitung von Leutha, der Tochter ihres Adoptivvaters, dorthin. Dort lauerte ihr der polnische Söldner Adam Jakubovski in der Absicht auf, sie zu vergewaltigen, da sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Maija bot ihm ihr Halstuch, das den Träger unverwundbar mache, falls er sie gehen liesse, und forderte ihn auf, die Wirkung des Tuches an ihr zu erproben. Nach kurzem Zögern verwundete Jakubovsky sie daraufhin tödlich mit seinem Schwert. Maija starb entsprechend dem Sinnspruch, der in das Halstuch – ein Geschenk ihres Verlobten – gestickt war:

«Lass‘ des Muthes Fahne wehen,

Wenn den Stab dein Schicksal bricht!

Lass‘ dein Leben untergehen,

Aber deine Ehre nicht!»

Am Abend fand Viktor in der Höhle die Leiche seiner geliebten Maija. Zunächst fiel der Mordverdacht auf ihn; vor Gericht trat jedoch ein Zeuge namens Peter Skudritz auf und sagte aus, er habe Maija in Jakubovskis Auftrag zur Höhle gelockt und die Tat mit angesehen. Der Mörder selber habe sich inzwischen erhängt. Leutha, die nach einigen Tagen des Umherirrens aufgefunden wurde, bestätigte diesen Tatverlauf.

Nach der Beisetzung seiner Verlobten bei der Burg kehrte Viktor Heil in seine Heimat zurück. Die der Legende nach von ihm auf Mais Grab gepflanzte Linde grünt noch immer; die Stätte ist ein beliebter Wallfahrtsort für Jungvermählte.

Der heutige Nachtplatz ist ein an einem der Seen im Nationalparks Gauja.

22.07.2021: Eine Besichtigung die unter die Haut geht, die Burg Turaida mit einer tragischen Legende und wunderschöner Nachtplatz an einem der Seen im Nationalparks Gauja